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Eine Analyse des deutschen Steuersystems

Eine Analyse des deutschen Steuersystems

In einer Zeit, in der die Kluft zwischen den Wohlhabenden und den weniger Privilegierten immer weiter wächst, gewinnt die Diskussion über die gerechte Verteilung von Steuerlasten zunehmend an Fahrt. Deutschland steht dabei als Spitzenreiter hinsichtlich der Besteuerung von Arbeitseinkommen, wie es die OECD in ihren internationalen Vergleichen regelmäßig betont. Gleichzeitig sind Vermögenszuwächse und Spekulationsgewinne in Deutschland steuerlich stark privilegiert oder werden überhaupt nicht besteuert. Besonders deutlich wird dies bei der Besteuerung von Vermögen, wo Deutschland eher als Niedrigsteuerland erscheint.

Die politische Debatte über die Bekämpfung dieser Ungleichheit ist von unterschiedlichen Ansichten geprägt. Die Parteien Union und FDP setzen vor allem auf Bildungspolitik und Wirtschaftswachstum, um Unternehmen und vermögende Privatinvestoren steuerlich zu entlasten. Auf der anderen Seite fordern SPD, Grüne und Linke höhere Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer und die Einführung einer Vermögensteuer. Doch gerade die Diskussion über die Vermögensteuer wird oft von wirtschaftsliberaler Seite als wachstumsfeindlich und ineffizient abgelehnt. Diese Debatte spiegelt den scheinbaren Zielkonflikt zwischen Verteilungsgerechtigkeit und Effizienz des Steuersystems wider - dem sogenannten Equity-Efficiency Trade-Off.

Allerdings werden in dieser Debatte oft Steuerreformoptionen übersehen, die Effizienz und Verteilungsgerechtigkeit miteinander verbinden können. Ein besonders eklatantes Beispiel dafür sind die zahlreichen Privilegien bei der Immobilienbesteuerung in Deutschland, wie sie in einem Gastbeitrag von Stefan Bach und Sebastian Eichfelder aufgezeigt werden. Diese Privilegien kommen fast ausschließlich den Wohlhabenden zugute und führen zugleich zu Verzerrungen auf dem Immobilienmarkt.

Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern werden Spekulationsgewinne aus Immobilien in Deutschland nur dann besteuert, wenn die Immobilien nach weniger als zehn Jahren veräußert werden - der sogenannten Spekulationsfrist. Bei selbstgenutzten Immobilien verkürzt sich diese Frist sogar auf drei Jahre. Dies hat besonders bedenkliche Auswirkungen auf vermietete Immobilien, die fast ausschließlich von den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung gehalten werden.

Während Investoren ihre Anschaffungs- und Erhaltungskosten steuerlich geltend machen können, bleiben spätere Veräußerungsgewinne oft steuerfrei. Dies führt in Kombination mit den niedrigen Fremdkapitalzinsen und den Wertsteigerungen bei Immobilien zu hohen und weitgehend steuerfreien Renditen. Unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, wie Kaufnebenkosten, Fremdkapitalquote, Wertsteigerung und Steuersätze, ergibt sich eine Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital nach Steuern, die nur geringfügig unter der Rendite vor Steuern liegt.

Dieses Phänomen wird durch die hohe Fremdkapitalquote und den Leverage-Effekt noch verstärkt. Die effektive Steuerbelastung auf die Rendite beträgt oft nur etwa acht Prozent, was vor allem an den Abschreibungen und dem steuerfreien Veräußerungsgewinn liegt. Bei einem bestimmten Verhältnis von Kaufpreis zur Nettokaltmiete kann die effektive Steuerbelastung sogar negativ sein, da die steuerlichen Abschreibungen die Mieteinnahmen übersteigen. Dies führt dazu, dass Investitionen in Immobilien steuerliche Verluste generieren können, während spätere Wertsteigerungen steuerfrei bleiben.

Für die besonders wohlhabenden Investoren mit umfangreichen Immobilienportfolios gibt es noch mehr Steuervorteile. Wenn Immobilien in eine GmbH eingebracht werden, reduziert sich die laufende Steuerbelastung der Mieteinnahmen erheblich. Im Gegensatz zur Einkommensteuer, bei der der Spitzensteuersatz 45 Prozent beträgt, zahlen reine Immobiliengesellschaften nur 15,8 Prozent Körperschaftsteuer und Soli. Wenn der Körperschaftsteuersatz weiter auf 10 Prozent gesenkt wird und der Soli abgeschafft wird, wie es von Union und FDP gefordert wird, reduziert sich die Steuerbelastung sogar auf nur noch 10 Prozent.

Noch attraktiver wird die Situation, wenn die Objekt-GmbH von einer Holding-GmbH gehalten wird. In diesem Fall fallen unabhängig von der Haltedauer bei einer Veräußerung der Objekt-GmbH nur 1,5 Prozent Steuerbelastung auf den Veräußerungsgewinn an. Dieser "Share Deal" hat den zusätzlichen Vorteil, dass bei einer Veräußerung von weniger als 90 Prozent der Anteile auch die komplette Grunderwerbsteuer eingespart werden kann.

Zusätzlich dazu sind die Grundsteuer und die Erbschaftsteuer in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern niedrig. Dies begünstigt vor allem private Immobiliengesellschaften, die steuerfrei übertragen werden können, solange die Erben die Immobilien weiter bewirtschaften. Im Gegensatz dazu müssen Personen, die kleine Häuser oder Eigentum von entfernten Verwandten erben, 30 Prozent Erbschaftsteuer auf den Vermögenswert oberhalb von 20.000 Euro zahlen.

Zusammengefasst: Das deutsche Steuersystem begünstigt Investitionen in Immobilien auf massive Weise. Wohlhabende Investoren setzen deshalb vermehrt auf Immobilienbesitz, was die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung weiter verschärft und diejenigen benachteiligt, die von ihrer Arbeit leben und weniger Vermögen besitzen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Liquidität des Immobilienmarktes, da Immobilien oftmals aus spekulativen Gründen gehalten und nicht auf den Markt gebracht werden. Angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen, denen sich Deutschland in Bereichen wie Digitalisierung und Dekarbonisierung gegenübersieht, erscheint die steuerliche Bevorzugung von Investitionen in Bestandsimmobilien äußerst fragwürdig. Eine Beseitigung dieser Steuerprivilegien könnte jährlich zusätzliche Einnahmen von bis zu 27 Milliarden Euro generieren, die zur Senkung von Steuern und Sozialabgaben für die Mittelschicht oder zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen verwendet werden könnten. Damit könnte die Gerechtigkeit und die Effizienz des deutschen Steuersystems gleichermaßen verbessert werden.