Urteil des Bundesfinanzhof vom 4. März 2008, Az. IX R 16/07 - „Abschreibung von Gebäuden, die eine Gesamtanlage bilden“
1. Einzelbewertung statt Gesamtanlage bei wirtschaftlichem Verbrauch
Der BFH entschied, dass eine Immobilie, die aus mehreren funktional verbundenen Gebäudeteilen besteht (hier: Hallenkomplex für Paketverteilung), nicht zwingend als einheitliches Wirtschaftsgut behandelt werden darf, wenn einzelne Gebäudeteile wirtschaftlich verbraucht sind. Für Immobilieninvestoren bedeutet das: Bei spezialisierten Gewerbeobjekten kann der wirtschaftliche Verbrauch einzelner Gebäudekomponenten zur Auflösung des einheitlichen Abschreibungsobjekts führen – mit steuerlicher Relevanz.
2. Verkürzte Nutzungsdauer nur bei objektivem wirtschaftlichen Verbrauch
Nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG kann die tatsächliche Nutzungsdauer angesetzt werden, wenn diese kürzer als die typisierte (z. B. 25 oder 33 Jahre) ist. Der BFH stellt klar: Eine kürzere Abschreibungsdauer setzt voraus, dass keine wirtschaftlich sinnvolle Weiterverwendung mehr möglich ist. Im Urteil wurde der Abriss eines Teils der Anlage nach Ablauf des Mietvertrags als Indiz für wirtschaftlichen Verbrauch akzeptiert – entscheidend ist die objektive Belegbarkeit, nicht bloße Planung.
3. Fehlerhafte Pauschalabschreibung auf die gesamte Anlage
Das Finanzgericht hatte ursprünglich alle Herstellungskosten der Gesamtanlage auf eine einheitliche Nutzungsdauer von 25 Jahren verteilt. Der BFH hob dieses Urteil auf und stellte klar: Nach Ablauf des Hauptmietvertrags ist die wirtschaftliche Einheit aufgelöst – die Verteilung der Herstellungskosten muss neu und differenziert erfolgen. Für Investoren ist das wichtig bei komplexen Gewerbebauten mit zeitlich begrenzter Nutzbarkeit einzelner Teile.
4. Sachverständigengutachten als zentrales Beweismittel
Das Urteil bestätigt: Bei der Geltendmachung verkürzter Nutzungsdauer ist ein qualifiziertes Gutachten unverzichtbar. Im Fall erkannte der BFH die Argumentation des Gutachters an, dass bestimmte Hallen nach 15 Jahren wirtschaftlich abgenutzt und nicht weiter nutzbar seien. Immobilieninvestoren sollten daher frühzeitig mit bautechnischen und wirtschaftlichen Prognosen arbeiten, um die steuerlich zulässige AfA strategisch zu optimieren.
5. Handlungsempfehlung für Investoren mit Spezialimmobilien
- Für Investoren in Gewerbe- oder Spezialimmobilien bedeutet das Urteil:
- Trennung der Wirtschaftsgüter prüfen, wenn einzelne Gebäudeteile separat genutzt oder vermietet werden.
- Frühzeitig geplante Abriss- oder Umnutzungsmaßnahmen dokumentieren.
- Abschreibung strategisch anpassen, wenn Teile der Immobilie frühzeitig wirtschaftlich verbraucht sind.
- Sachverständige einbeziehen, um gegenüber dem Finanzamt rechtssichere Belege vorzulegen.
- So können Investoren höhere jährliche Abschreibungen geltend machen und steuerliche Verluste effizienter nutzen.